Im Rückblick auf das Jahr 2011 liegt es leider nahe, sich mit gravierenden Missständen im Gesundheitssystem auseinander zu setzen. Die deutsche Politik macht es uns Physiotherapeuten nicht einfach.
1) Abrechnungsirrsinn und Absetzungen von Physiotherapie Rezepten
Zu nennen ist hier der totale Irrsinn in der Abrechnung von Heilmitteln. So wird Beispielsweise nahezu keine Schikane ausgelassen, Fehler in der Verordnung zu Lasten der Physiotherapeuten auszulegen und anstatt hier die zumeist eingesessenen Ärzte in der korrekten Ausstellung zu schulen und die Computerprogramme der Praxen konsequent auf Fehlervermeidung zu optimieren, wird die Zahlung unkorrigierbar abgelehnt. Ein Trauerspiel für einen sowieso schon komplett unterbezahlten Arbeitsbereich, der zunehmend Existenzen kostet.
2) Physiotherapie Ausbildung - wer studiert hat nix davon
Neben zermürbenden Regulierungen im Heilmittel- und Abrechnungsbereich ist auch nach wie vor die Ausbildungssituation in Deutschland ungenügend geregelt. Staatlich anerkannt ist noch immer nur die schulische Ausbildung, eine höhere Ausbildung an Universitäten wird zwar ebenfalls akzeptiert, jedoch wird der höhere Aufwand in der täglichen Arbeit am Patienten nicht anders vergütet. Vorteile bringen diese höheren Ausbildungsformen zur Zeit nur in der Forschung sowie im Ausland. Die Universitäten und Hochschulen gehen jedoch immer weiter voran und bieten weitere vollzeitliche und nebenberufliche Studiengänge an. Die neueste Ankündigung kommt hier von der FH Aachen, die diesen Studiengang ab dem Wintersemester 2012/13 anbieten wird.
3) Erfahrungsbasierte Entlohnung
Der 3. Missstand ist die Gleichbehandlung der Therapeuten. Klingt auf den ersten Blick wie ein wünschenswertes Ziel, jedoch kann eine gleiche Vergütung eines Berufseinsteigers und eines Therapeuten mit mehrjähriger Berufserfahrung und mehreren absolvierten Fortbildungen nicht sein. Kein anderer Berufszweig ist so im Zwang Fortbildungen zu absolvieren um seine Qualität zu verbessern wie Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden. Momentan ist hierfür der Anreiz lediglich die eigene Qualitätssicherung sowie die Arbeitsplatzerhaltung. Eine bessere Entlohnung für die mutmaßlich hochwertigere Behandlung fehlt im heutigen Gesundheitssystem leider völlig. Würden hier seitens des Gesetzgebers Anreize in Form von besserer Bezahlung hochqualifizierter Fachkräfte pro Behandlung geschaffen, wäre auch der alltägliche Frust über die zumeist selbst zu tragenden Kosten für Weiterbildungen nicht so hoch, hätte man doch eine Aussicht auf eine Refinanzierung. Unklar ist auch, warum die Krankenkassen dies nicht konsequent unterstützen? Liegt die Behandlungsdauer, -effizienz und -erfolg eines erfahrenen Therapeuten doch mutmaßlich höher und spart somit im Umkehrschluss wieder Kosten.
4) Akademisierung der Physiotherapie
Selbstverständlich würde eine Akademisierung der Physiotherapie weitere Fragen aufwerfen, wie zum Beispiel, wie mit langjährig aktiven Therapeuten verfahren wird, welchen Stand der Therapeut im Bezug zum Arzt hat und wie das Diagnoserecht verteilt wird, doch sind diese Fragen im Moment nur theoretischer Natur, da sie von den Personen, die etwas verändern könnten nicht gestellt werden. Die Therapeuten müssen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes so viele Stunden am Patienten bewältigen, dass keine Zeit für Lobbyarbeit bleibt und die Verbände legen die Hände in den Schoß. Ob hieran mangelnde Ideen oder einfach nur Resignation Schuld ist, bleibt unbeantwortet.
Physiowissen als Sprachrohr
An dieser Stelle möchten wir gern allen, die etwas bewegen möchten unsere Hilfe anbieten und strecken auch den Vertretern der Gesundheitspolitik die Hand zum Gespräch aus und bitten Sie sich folgende Frage ehrlich zu beantworten: Ist Physiotherapie nicht einer der wertvollsten Berufe, die es gibt? Wo sonst wird mit derartig intensiven Bemühungen 1:1 direkt am Patient an dessen Wohl und Gesundheit gearbeitet? Stephan Schmied
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